Wettbewerb Maschinenbau und Energietechnik, Technische Hochschule Mittelhessen
Standort
Bauherr
Gebäudetyp
BGF
Leistung
Zeitraum
Fachplaner
Team
Gießen
Technische Hochschule Mittelhessen
Bildungsbau, Universität
5.600 m²
offener Wettbewerb, Finalist 2. Phase
2015
Eisat Tragwerksplaner
Delta-i Haustechnik
Stanek Brandschutz
Thomas Stadler, Martin Prenn (STADLER PRENN ARCHITEKTEN)
Städtebau und Erschließung
Die Entscheidung der Technischen Hochschule Mittelhessen, in der Gießener Innenstadt zu bleiben und weiterhin eine bedeutende Rolle in der Stadtgesellschaft und dem Stadtbild einzunehmen, wird als große Chance innerstädtischer Umstrukturierung betrachtet und von uns als städtebauliches Leitbild im Entwurf mit aufgenommen.
Der Neubau für den Fachbereich Maschinenbau und Energietechnik (ME) wird im gegenständlichen Entwurf als einheitlich selbstbewusster und klar konturierter Baustein für das neue Campusgelände an der Wieseck konzipiert.
Da die drei Institutsbereiche nicht sinnvoll in zwei einzelne Gebäude aufzuteilen sind, fiel die Entscheidung auf einen Baukörper anstelle von zwei mit einer Brücke verbunden Bauten. Somit wird keine falsche Zugehörigkeit vorgespielt und auch zu einem späteren Zeitpunkt lassen sich Verschiebungen innerhalb des Raumprogramms gut integrieren.
Der Stadtbaustein wird subtraktiv bearbeitet. Durch einen durchgehenden Einschnitt im Eingang und durch Einschnitte im obersten Geschoß wird der Bau gegliedert und entsprechend der Vorgaben des Masterplans eine Kleinteiligkeit hergestellt, die eine stadträumliche Verknüpfung mit den benachbarten Gebäuden am Campusgelände herstellt.
Die Freiraumvernetzung der Fachbereiche, Institute und gemeinschaftlichen Einrichtungen auf dem Campus Gelände wird bestärkt und die lockere und weitläufige Atmosphäre auf Geländeniveau beibehalten.
Das Fachbereichsgebäude wird von zwei Seiten mit einem mittig zum Platz angeordneten Eingang erschlossen. Dadurch wirkt der Eingang hell und durchlässig. Der Haupteingang des Gebäudes und zugleich postalische Adresse liegt zur Wieseck-Aue und wird über die Moltke Straße erschlossen. Der zum Platz hin orientierte Zugang ist für die Phasenentwicklung bis 2019 eher untergeordnet und erhält mit Fertigstellung des Masterplans seine angedachte Prägnanz als interner Campus-Zugang.
Über ein direkt am Eingang gelegenes und großzügig angelegtes Treppenhaus und über die Aufzüge gelangt man in die oberen Geschosse. Ein umlaufender Korridor erschließt dort jeweils Labore, Lehrräume und Büros.
Das Gebäude ist beidseitig barrierefrei zu betreten. Entsprechende barrierefreie WC-Anlagen befinden sich unmittelbar im Eingangsbereich. Jeglicher Abfall wird in eigenen Räumen im Untergeschoss deponiert und zur Abholung über den Lastenaufzug entsorgt.
Architektur (räumliche Organisation, Gestaltung)
Das Gebäude steht vorerst alleine als Neubau des zukünftig geplanten Campusgeländes und wird deutlichen Einfluss auf die weitere Umsetzung des Masterplans nehmen. Unser Neubau steht selbstbewusst und doch bestimmt im Rhythmus der Masterplanvorgaben. Durch die eigene Interpretation der Staffelgeschosse und der Farbgebung der ausgewählten Materialien (eingefärbter Betonwerkstein, Metallverkleidung) entsteht ein fast industrielles Erscheinungsbild in Anlehnung an die Frühmoderne und Ihrer Ziegelsteinarchitektur. Zusammen mit dem orangebraunen Sonnenschutz ergibt sich ein freundlicher und einladender warmer Farbton, der als Auftakt für die Umsetzung der weiteren Institute und Fachbereiche auch richtungsweisend sein kann.
Die innere Verteilung der Geschosse erfolgt nach einem repetitiven Prinzip. Nordwestlich zur Aue hin haben wir grundsätzlich die Labore und Werkstätten angeordnet, während Büros und Seminarräume südöstlich zum Campus orientiert sind. Im Erdgeschoss befindet sich das Fluidmechanik- und Strömungslabor. Im UG befinden sich weitere Labore wie das Schweiß- und Mikrosystemlabor und pädagogische Fachräume, die an großzügigen Lichthöfen liegen. Die Lichthöfe dienen hauptsächlich der Belüftung und Belichtung der Räume und der Anlieferung von großen Geräten/ Maschinen. Im Kellergeschoss befindet sich auch ein Großteil der Technikräume.
Der vertikal durchgehende zentral liegende Kern nimmt hauptsächlich WC-Anlagen, Reinigungs- und zusätzliche Stauräume auf. Die innenliegenden Verkehrszonen bekommen Außenbezug und Tageslicht über zwei große "voids", die bis in das Erdgeschoss reichen. Auf den Ebenen gibt es immer wieder frei zu bespielende Flächen, die für Veranstaltungen, Ausstellungen, Präsentationen oder auch als Lounge- und Begegnungsfläche genutzt werden können. Der vertikale Luftraum sorgt zwischen den Geschossen für eine ausreichende natürliche Belichtung in den Korridoren. Das Dachgeschoss bietet zusätzliche Terrassenflächen für interne Feiern und fachbereichsinterne Nutzung an.
Die Fassade mit seinen großzügigen Elementen aus Faserbeton zeichnet das Traggerüst des Gebäudes nach. Die Gestaltung passt aus unserer Sicht zu einer technisch orientierten Universität, so wird das Tragen und Verteilen der Baustruktur deutlich nach Außen dargestellt und nicht durch die Fassade kaschiert. Das rechteckige Format spiegelt die horizontale Figur des Gesamtbaukörpers wieder. Um die Einschnitte im DG und im EG zu betonen (skulpturales Erscheinungsbild) und die Flexibilität zu gewährleisten wird die Fassade nicht weiter unterschiedlich gegliedert sondern einheitlich um das gesamte Gebäude herumgestrickt.
In der zweiten, inneren Ebene sitzt das Fensterelement zwischen Brüstung und Sturz in der gleichen Ebene; Wärmedämmung, profilierte Aluminiumkassetten, Alu-Holzfenster und außenliegender Sonnenschutz runden das zurückgenommene Erscheinungsbild der zweiten Ebene ab. Trennwände können an die Stützenprofile oder an die im Raster aufgeteilten Fensterprofile anschließen und je nach Bedarf flexibel angepasst werden.
Realisierung Masterplan / Genehmigungsfähigkeit
Man kann die neu entstehende Komposition des Masterplans vom Büro Schneider und Schumacher als eine Abfolge von Plätzen bezeichnen. Ein Platz geht in den anderen über. Damit sich der neue Platz am Institutsgebäude für Maschinenbau und Energietechnik nicht zu sehr absondert, wurde das Abknicken des östlichen Baukörpers begradigt. So entsteht eine klarere Front zum südlich gelegenen Platz, der nun einen rechteckigen Raum ausbildet und Identität stiftend für die daran anschließenden Institutsgebäude wirkt.
Der Neubau überschreitet an keiner Stelle die Bebauungsgrenze. Die Genehmigungsfähigkeit ist somit gegeben.
Tragwerk und Konstruktion
Der Entwurf sieht als Tragstruktur einen Stahlbeton-Skelettbau mit rechteckiger Hüllfläche und einigen Gebäudeeinschnitten vor. Die Geschossdecken sind für maximale Raumflexibilität als 28cm dickes sehr regelmäßiges Flachdeckensystem ausgebildet. Zur Berücksichtigung der Techniklasten und Laborausrüstungen sind die Regelgeschossdecken auf Nutzlasten von 5,0 kN/m² vorbereitet. Die Dachdecke kann zur Installation von Klimatechnik ebenfalls 5,0 kN/m² tragen.
Für die Flachdecken ergibt sich in Gebäudequerrichtung durch zwei Fassadenstützen und zwei Mittelstützen am Rand der Innenzone ein sehr effizientes Dreifeldsystem mit einer großen Stützweite für das Mittelfeld und einer kleineren Stützweite für die Außenfelder. In Gebäudelängsrichtung entsteht mit etwas kürzeren Stützweiten ein Durchlaufsystem. Im Bereich der Einschnitte der Gebäudeeingänge und der darüber liegenden Aufenthaltszonen ermöglichen deckengleiche Verbundträger in Gebäudequerrichtung im Zusammenwirken mit Spannbetonhohldielen in Gebäudelängsrichtung eine stützenfrei Zone von 12,5m x 20,0m.
Aufgrund des mutmaßlich hohen Grundwasserstandes wird das Tiefgeschoss vollständig als wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion ausgeführt.
Insgesamt ist das sehr regelmäßige Flachdeckensystem (Wegfall von Unterzügen) maximal flexibel für die Raumgestaltung und kann aufgrund des großen Wiederholungsfaktors sehr effizient hergestellt werden. Durch die Gleichartigkeit und Durchgängigkeit seiner Bauelemente ist das Gebäude für den Einsatz von Fertig- und Halbfertigteilen bestens geeignet.